Hl. Samuel von Waldeba

Der heilige Samuel von Waldebba

F. Heyer, Die Heiligen der äthiopischen Erde, Erlangen 1998)

Der Vater, Stefan mit Namen, und seine Mutter Ammata Maryam zogen mit dem Kind nach Aksum und lehrten es, als es heranwuchs, die Bücher der Kirche. Als Vater und Mutter verstorben waren, ging der junge Samuel ins Kloster Däbrä Bankol zu Abba Mädhanina Egzi und zog das Gewand des monastischen Lebens an. Hier focht er seinen geistlichen Kampf mit Fasten und Beten. Nichts anderes aß er als Blätter und sein Trank war Wasser. Er diente den Mönchen, indem er das Korn mahlte und das Wasser heranschleppte. Da er es auf Dauer störend fand, daß seine Verehrer ihn zu besuchen kamen, zog er weg an einen unbekannten Platz.

 Macintosh HD:Users:annemarx:Desktop:Tsära.Samuel of Waldebba.jpgDer Heilige Samuel von Waldebba, Tsära, 19. Jh.

So gelangte er auch nach Waldebba.209 Da widmete er sich dem Fasten, dem Aufrechtstehen beim Gebet, der Prosternation und dies in so hingebungsvoller Weise, daß seine Füße sich verformten. Einmal zog er in die Wüste und nahm während 40 Tagen und 40 Nächten keine Nahrung zu sich. Die Löwen und Leoparden und alle Arten von schreckenerregenden wilden Tieren kamen zu ihm, verneigten sich vor ihm und leckten den Staub von seinen Füßen.210 Eines Tages, als er den Weg entlangging, gelangte er vor einen Fluß im Tale, der Hochwasser führte. Er trug aber ein Buch bei sich und Feuerbrand. Da sprach er ein Gebet und ging mutig ins Wasser hinein, und obwohl er untergetaucht und von der starken Strömung mitgerissen wurde, brachte die Allgewalt Gottes ihn doch quer über den Fluß zum gegenüberliegenden Ufer. Er fand, daß das Feuer nicht ausgelöscht und das Buch nicht beschädigt war. Satan quälte ihn oft mit Phantomgebilden von wilden Tieren, doch er fürchtete sich nicht, denn sein Geist hing mit Vertrauen an seinem Gott. Und als Abba Samuel im Gebet stand, kam unser Herr Jesus Christus zu ihm und versiegelte seinen ganzen Leib und jedes einzelne Glied mit seinem Speichel, und sein ganzes Wesen wurde mit Kraft erfüllt. Von diesem Tage an wickelte er Lumpen um seine Füße und trug als Kleid einen Sack, und er stieg mit all seinen Gliedern ins Wasser hinein und sagte so die Psalmen Davids fünfmal an jedem Tage auf, und er geißelte seinen Rücken mit unzähligen Schlägen. Die Löwen pflegten wie Schafe zu ihm in die Höhle zum Schlafen zu schlüpfen. Einigen von ihnen pflegte er das Fell zu streicheln, anderen die Wunden zu verbinden oder ihnen die Dornen aus den Tatzen zu ziehen.

Viele Jünger schlossen sich ihm an, darunter vor allem Abba Za-Rufael. Eines Tages begegnete Abba Samuel dem Abba Gäbrä Masqal von Däbrä Laggaso, den er nie zuvor gesehen hatte, und sie verbrachten den Tag in Beschreibung der großen Werke Gottes.

Und zur Essenszeit, als sie gerade ihre Gebete sprachen, senkte sich ein Tisch vom Himmel herab vor sie, und sie aßen und dankten dabei Gott. Dann traf er eines Tages einen Wüstenmönch und, als sie begannen, sich über die Mysterien, die Gott ihnen eröffnet hatte, auszutauschen, sagte Abuna Samuel: „Weißt Du, es ist 12 Jahre her, da fand ich mich in den Himmelshöhen und ehrte mit Weihrauch Gottes Thron zusammen mit den 24 himmlischen Priestern.“ Wenn der Abba das Gotteshaus betrat und das dargebrachte Brot und den Wein konsekrieren wollte, da kam das Brot und der Kelch vom Himmel zu ihm herab. Und wenn er den Lobpreis der Jungfrau Maria las, da wurde er über dem Erdengrund eine Elle in die Höhe gehoben und die Jungfrau Maria kam herbei und gab ihm einen kostbaren Stein, der Lichtblitze ausschoß, und reinen Weihrauch.

Als die Zeit seines Abschieds von der Erde kam, kam Erzengel Michael zu ihm, nahm ihn auf seine Flügel und ließ ihn die Herrlichkeiten des himmlischen Jerusalem schauen. Und er brachte ihn vor den Thron Gottes und Abba Samuel empfing von Ihm das Versprechen, daß jedermann, der ihn um Fürbitte angehe oder sein Gedenken feiere, erhört werden solle. Als er zu seiner Lagerstätte zurückkehrte, berichtete der Abba seinen Jüngern alles, was er gesehen hatte. So starb er in Frieden. Gruß zu Abba Samuel.211

Um die geistliche Leitung des Abba Samuel zu erfahren, wanderten nahezu 700 Mönche nach Waldebba und dem diesem Kloster damals unterstellten Däbrä Abbai.212   Abba Samuel richtete für sie voneinander abgetrennte, familienartige Mönchssiedlungen ein. Des Abba Nachfolger im Abtsamte gelten den Mönchen als Heilige: Abuna Bäkimos zog zu König Dawit und empfing für sein Kloster reichen Landbesitz als Gult, d.h. erbfähig. Damit diese Schenkung nie angezweifelt werden könne, wollte er sie im „Goldenen Evangelium“, dem Vangel worq von Aksum aufschreiben lassen. Die Mönche aber setzten dem entgegen: „Unsere Väter haben uns schriftlich und mündlich hinterlassen, daß wir kein Ackerland besitzen dürfen.“ Abuna Bäkimos aber fürchtete, daß die Nachricht von der Zurückweisung der Schenkung das Verhältnis von König und Mönchsgemeinde trüben könne. So ließ er denn dies Landstück für Däbrä Abbai ins Goldene Evangelium schreiben. Nach fünf Jahren auf dem Abtsstuhl seines Vaters Samuel zog er zum zweiten Male zu König Dawit nach Erer und schlug vor, damit das ganze äthiopische Volk des heiligen Samuel gedenke, solle in dessen Namen eine Kirche gestiftet und ein Gädl geschrieben werden. Auf dem Rückweg starb Abuna Bäkimos in dem kleinen Ort Abterra in Wogära, wo er noch den Bau der Samuel-Kirche leitete, im Jahre 1394 (äth. Kal.). Im Jahre 1408 trugen seine geistlichen Kinder den Leichnam von Abterra nach Waldebba.

Abba Gäbrä Krestos leitete die Mönchsgemeinde 64 Jahre lang als geistlicher Vater. Dann übertrug er diese Würde an Abba Melanius und lebte als Eremit weiter. Und als Melanius das Abtsamt nicht länger tragen wollte, sah sich Gäbrä Krestos ermächtigt, die Abtswürde an Za-Woldä Maryam weiterzugeben. Gäbrä Krestos prophezeihte, es werde eine große Gefahr aufkommen, die die Mönche zur Flucht nötigen würde. Gäbrä Krestos starb im Jahre 1504 und in der Tat, 19 Jahre später, im Jahre 1526 (äth. Kal.) brach der muslimische Emir Mohammed Granj in die Mönchswelt ein. In Däbrä Abbai brachte er 200 Mönche um und zog weiter nach Waldebba. Aber die dortigen Mönche waren frühzeitig gewarnt und flohen mit dem Tabot Kidanä Mihrät in eine Höhle (Wascha) in Richtung Ost auf dem Weg über May Lebeta (Wasser inmitten von Gestrüpp) und versteckten sich dort. Niemand hat dem Mohammed Granj das Mönchsversteck verraten. Die heutigen Mönche halten die Behauptung des Areb Fakih in dessen Geschichte über Mohammed Granj, derzufolge der Emir 500 Mönche von Waldebba massakriert habe, für eine Lüge.

Abuna Minas, der jetzt zum Abt aufstieg, war schon als kleiner Knabe ins Kloster gekommen. Dem kleinen Heiligen wird nachgerühmt, daß er viele Wundertaten vollbracht habe. Als der Knabe eines Tages von einem erzürnten Mönch angeherrscht wurde, floh er zum Fluß Takkaze. Die Steine am Flußufer waren von der brennenden Sonne glühend heiß und die Sonne brannte unbarmherzig von oben. Aber Minas vergaß dies alles im Gebet zu Gott. Da stellte sich Erzengel Michael bei dem kleinen Heiligen ein, offenbarte sich und fischte das Buch Haymanote Abew aus dem Fluß heraus und übergab es ihm. Der Engel wies ihn an: „Geh’ zurück zu Deinem Kloster!“ Dieses Buch, das noch heute im Klosterschatz aufbewahrt wird, hatte schon immer zum Bücherbestand gehört213 und es war auf merkwürdige Weise verlorengegangen.

Die heilige Mutter Wälätta Petros hatte die Mönche von Waldebba gebeten, sie an der Klostereucharistie teilnehmen zu lassen. Da wurde die Regel mißachtet, daß keine Frau das Kloster betreten dürfe. Aber die Mönche erlaubten die Ausnahme und ließen Wälätta Petros zur Eucharistie zu, weil sie ja eine Dienerin Gottes sei. Aber da brach ein von Gott gesandter Engel in die Kirche ein und entriß das heilige Buch Haymanote Abew den Händen der Mönche. So war dies Buch verschwunden, das nun für den heiligen Minas aus dem Fluß gefischt wurde.

Abuna Minas leitete 35 Jahre lang die Mönchsgemeinschaft als ihr geistlicher Vater. Er war sich nicht zu schade, das Nug, aus dem man Öl pressen kann, von weither für die Mönche herbeizutragen. Eine Frau hat ihn sechs Zentner Nug auf dem Rücken schleppen sehen.

In einer Höhle in der Gegend von Agidar, in der er 20 Jahre lang betend auf den Knien lag, starb Minas im Jahre 1583. Sein Grab befindet sich in Abrentant und wird Tag um Tag von den Mönchen beräuchert.

Als Abuna Minas die Abtswürde in Waldebba bekleidete, kamen fünf Mönche aus dem Süden gewandert, und als sie erfuhren, daß in diesem Kloster gewöhnliches Essen verboten sei, vertrat einer von ihnen, Abuna Muse, die Meinung, daß es doch wenigstens erlaubt sei, mit den kleinen schwarzen Körnern des Dagussa Brot zu backen. Alle stimmten diesem Vorschlag zu. So haben die Mönche Dagussa gemahlen und Abuna Muse schickte sich an, davon Brot zu backen. Aber ein Engel, von Gott gesandt, kam vom Himmel und riß dem Mönche die Backform weg. Dreimal versuchten die Asketen, Dagussa-Brot zu backen, aber dreimal wurde ihnen die Backform aus der Hand geschlagen. Daraus zogen sie den Schluß, daß auch Dagussa zu essen verboten bleiben214 solle. Dies wurde als Regel aufgestellt und dadurch für die nachfolgenden Generationen verpflichtend gemacht, daß dies in das Regelbuch Zena Abew geschrieben wurde.215


209 Berihun Kebede, Geschichte des Klosters Waldebba, 1983 (äth. Kal.), 53, kennzeichnet ein Zwischenstudium des Abba Samuel in Shawada in Semien, nahe Bälägäz, dann in Woyna. dort starb sein Vater Stefanos, der ihn begleitet hatte. Salamuel zog weiter zur Mendaba Mädhanä Alem-Kirche in Gorgora.

210  Gewalt über menschenbedrohende Tiere, ähnlich dem hl. Antonius, der den Eseln Sperrgrenzen setzt, die seine Pflanzung kahlfressen, ist den Äthiopischen Heiligen zugesprochen, so von Iyasus Mo’a und Täklä Haymanot ausgeübt. Samuel von Däbrä Abbai reitet auf Löwen, an den hl. Abbo schmiegen sich Tiger und Löwen. Täklä Hawaryat zwingt eine Schlange, die ihn beim Gebet bedroht, mit dem Kreuzeszeichen zu Boden. Huntingford 290ff.

211 E.A. Wallis Budge, a.a.O., 365-367.

212 J. B. Coulbeaux, Histoire politique et religieuse d' Abyssinie depuis des temps les plus reculés, Paris I u.II 1929, 111.

Abba Samuel, der die Tiere des Waldes in menschlicher Sprache vernahm, friedlich zwei Löwen und zwei Stiere vereinte, und dessen Gebet die Kraft besaß, Dämonen auszutreiben, stiftete Däbrä Abbai. Schüler empfingen aus seiner Hand die Mönchseinkleidung und "wurden den Engeln Gottes ähnlich". "Sie irren nicht da und dort herum sondern sind auf das Gebet fixiert, wie Säulen, die die Kraft des Windes nicht beugt und wie eine Mauer, deren Solidität der West- und Ostwind nicht erschüttert."

213 Haymanot Abew, eine Kirchenväteranthologie ("Glaube der Väter") ist dogmatischer Reichtum der äth. Orthodoxie.

214 Über die Speise, von der sich die Asketen nähren vgl. Huntingford 274f.

215 Die Speise, von der sich die Waldebba-Mönche ernähren, wird aus drei wildwachsenden Rüben oder Wurzeln hergestellt, aus Tsabble, Gämälo und Sada. Die Gämälo-Knolle ist so bitter, daß sie erst in Stücke geschnitten, getrocknet, dann in einem Bienenkorb in fließendem Wasser 7 Tage lang geschwemmt wird. Die Klostersage berichtet, die Gottesmutter sei in der Zeit, da sie sich auf der Flucht in Ägypten befand, nach Waldebba gewandert und habe die drei Rübenarten dort gepflanzt und die Rüben hätten sich so stark vermehrt. Der Rübenbrei wird mit Nug-Getreide, das von weither zu holen ist, gemischt. Später wurden Bananen als Pflanzgut aus Gunna-Gunna geholt, für eine Pflanzung bei Tsägäda.

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