50 Jahre  Autokephalie der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche
1959-2009

In diesem Jahr gedenkt die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche zum 50. Mal ihrer Unabhängigkeit von der Alexandrinisch-Koptischen Kirche Ägyptens. Aus diesem Anlaß wollen wir auf das Verhältnis beider Kirchen zueinander, wie es sich der Vergangenheit gestaltete, eingehen.

Die Beziehungen zwischen der Alexandrinisch-Koptischen Kirche Ägyptens und der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche reichen ins vierte Jahrhundert nach Chr. zurück. wir können  sie  datieren auf das Jahr 328 die Zeit der   Ernennung des Frumentius, des Vater des Friedens und Offenbarer des Lichts-(Ab Slm K0T brhn), zum Bischof für Äthiopien durch Athanasius, dem zwanzigsten der Patriarchen von Alexandria (326-327): Seit jener Zeit ist es strenge Tradition, daß die Nachfolger des Heiligen Evangelisten Markus,  der ersten Patriarchen von Alexandria, einen koptischen Metropoliten für ganz Äthiopien ernennen. Auf dieser Tradition beruhend sind seit dem Auftreten des Christentums in Äthiopien, bis ins Jahr 1950, 111 Metropoliten geweiht worden. Die Beziehungen der beiden afrikanischen Kirche wurden nur einmal ernstlich gestört:  Patriarch Qerllos III: von Alexandria (1235.-1243) konsekrierte  für die Kopten in Syrien einen Erzbischof für Jerusalem, welches aber    zum Amtsbereich des syrisch-orthodoxen Patriarchen Ignatios II. von Antiohia gehörte, dieser reagierte darauf mit der Konsekration des äthiopischen Mönchs Thomas zum Bischof Äthiopiens. Gegen Ende des 13. Jahrhundets scheint es in Äthiopien dann zwei Bischöfen gegeben zu haben: einen antiohenischen und einen alexandrinischen. Doch befreiten sich die Äthiopier bald selbst von dem syrischen Hierarchen.

Als die Araber die Küste des Roten Meeres zu erobern begannen, wurde Äthiopien isoliert und eingeschlossen und der Rest der Welt konnte nichts mehr erfahren. Die einzigen Kotakte hielten die Äthiopier mit Patriarchen von Alexandria und koptischen Kirche Ägyptens sowie zu ihrem Kloster in Jerusalem. In der Zeit der Zaguwe‘ Dynastie empfingen und erhielten sie viele Delegationen des Patriarchen von Alexandria  und wahrscheinlich auch der muslimischen Herrscher Ägyptens. Über das Wessen und den Stand des Patriarchats in Äthiopien gibt es sehr viele übereinstimmende Berichte. Wie zu erwarten stammen die meisten Berichte von der koptischen Kirche und hier kann man  Severus ibn al-Muqaffa und Abu Salih, ein in Ägypten geborenen Armenier, als die wichtigsten Autoren nennen.

Gegen Ende des 11. Jahrhunderts, zur Zeit des Patriarchats Michaels IV. (1092-1102); wurden die gute  Beziehungen wiederhergestellt. Zu dieser Zeit war das Wasser des Nils während des Monats Juli zurückgegangen und war nicht wieder gestiegen. Man glaubte, daß der äthiopische Herrscher den Nil abgeleitet hätte, um auf die Muslime Druck auszuüben. Wie der Historiker Herodot beobachtet, war der Nil der Lebennerv Ägyptens, ohne den welchen kein Überleben möglich war. Deshalb ersuchte der Sultan al Mustansir den Herrscher, das Wasser wieder freizugeben, denn die ägyprtische Wirtschaft litt darunter. Gemäß der Berichte  um Michael befahl (der König), einen großen  verschlossen Teil durch einen Dammdurchbruch zu öffnen. Sobald dies geschehen war, stieg der Nil zehn Fuß in einer einigen Nacht, so daß das ganze Land Ägypten bewässert wurde. Fakt ist, das es in Äthiopien eine Dürrezeit gab, welche ein Absinken des Nilwasser verursacht hatte. Die Ankunft des Patriachen Michael in Äthiopien war ein Segen, denn während er die Messe und die Liturgie zelebrierte, fing es stark zu regen an. Man führte dies auf seine Gebete zurück. Deswegen wurde er in Äthiopien mit Beifall als Heiliger begrüßt und in Ägypten als erfolgreicher Diplomat. Es ist interessant festzustellen, daß dies der 1. schriftlich festgehalten Besuch eines alexandrinischen Patriarchen war. ( Segew Hable Sellasie, Ancint and Medievel Ethiopian History to 1270, Addis Ababa, 1972, S.248)

Während der Zagwe-Dynastie, zur Zeit König Harbe‘ (1100-1149) war der Ägypter Abba Michael als Metropolit  Patriarch von Äthiopien. Die Historiker schätzen, daß er der 64. Bischof war. Der König Harbe‘ bat dem Metropoliten Michael, sieben äthiopische Mönche zu Bischöfen weihen, mit dem Gedanken, damit einen Kern von Bischöfen  zu schaffen, und letztlich eine Emanzipation von dem  Patriarchat von  Alexandria zu erreichen.

Abba Michael weigerte sich mit der Begründung. Er habe vom Patriarchen keine entsprechenden Instruktionen erhalte, und wies König Harbe‘ an, eine Delegation zum Patriarchen zu senden, um dessen Billigung einzuholen. Als der Patriarch dann klar gegen das Unternehmen entschied, wandte sich die Delegation an den Sultan und überredete ihm, Druck auf den Kirchenfürsten ausüben. Nachdem er der Idee zugestimmt hatte, befahl der Sultan dem Patriarchen, der Bitte des äthiopischen Herrschers zu entsprechen. Aber wiederum weigerte sich der Patriarch,  bat statt dessen um eine Audienz beim Sultan. In einer privaten      Unterhaltung machte er klar, daß des Herrschers eigentliches Anliegen die Unabhängigkeit war. Das Ergebnis einer solchen Veränderung lag für beide Männer Ägyptens klar auf der Hand: Sie würden ihren Einfluß in Äthiopien verlieren, wie auch die Tributszahlungen  des Herrschers für Anforderung eines neuen Metropoliten  würden entfallen. Der Sultan, der nun mit dem Patriarchen übereinstimmte, rief die äthiopische Delegation und wies sie an, das Land sofort zu verlassen. Er vertraute ihnen einen Brief an, daß sich Harbe‘ mit einem Metropoliten zufrieden geben müsse, welcher jeweils von Ägypten geschickt werden würde, wenn es die Situation erforderte . So blieben Harbe‘ Reformversuche erfolglos.

Die Details dieses Ereignisses werden im äthiopischen Synaxarium des zehnten Miyaziya beschrieben, im Zusammenhang mit dem Leben des Abba Gabriel, dem siebzigsten Patriarchen von Alexandria (1131.-1145.): Er war ein kirchlicher Kanoniker von den  Alexandrinischen Patriarchen. Von ihm stammen die Canones der Kirche. Abba Gabriel ließ zum 10 Apriel ins Synxarium folgendes aufbnehmen: „ Der Erzbischof sandte einen Brief, wie der König von Ägypten ihm befohlen hatte. Als dieser Brief den Köng von Äthiopien erreichte, fing sein Palast plötzlich Feuer, Hungersnot und Krankheit brach in dem Land aus, der Regen wurde zurückhalten und fiel nicht auf die Felder und größte Trübsal kam über die Menschen, weil der König sich weigerte zu gehorchen; er übertrat das Gebot Gottes. Dann wandte sich der König von Äthiopien wieder Gott zu und tat Buße; er sandte einen Brief an den König Ägyptens, in welchem er ihm befahl, diesen Vater zu senden und ihn von seinem Bann zu lösen. Dieser Vater schrieb einem Segensbrief und sandte ihn an den König von Äthiopien und aller Äthiopier. Als dieser Brief das Land Äthiopien erreichte, nahm Gott die Hungersnot und die Krankheiten zurück und die Leute freuten sich. Und dies geschah in dem Namen dieses Königs.“

Wenn man die beiden Texte, den äthiopischen und den arabischen, die Briefe des Königs Harbe‘ von Äthiopien an den Abba Gabriel, den Patriarchen von Alexandria und den König von Ägypten und den Brief des Patriarchen Gabriel an den äthiopischen König Harbe‘ vergleicht, merkt man, daß die beiden Texte keinen großen Unterschied aufweisen, weil die beiden Texte voneinander abhängig sind. Höchstwahrsheinlich hatte der Patriarch Gabriel selbst diese  wenig vertraunswürdige Dokument geschrieben. Er war in der koptischen Kirche ein bekannter Autor unk Kirchenkanoniker. Wer ist schuldig, der Patriarch oder der König von Äthiopien? Der äthiopische König Harbe‘  hatte den Abune Michael, Erzbischof von Äthiopien gebeten, sieben Bischöfe aus den äthiopischen Mönchen zu weihen. Das war eine heilige Idee für die Missionierung und Evangelisierung des Landes und für jenes christliche Volk der Äthiopier, welche seine christliche Religion und seine Unabhängigkeit im heidnischen muslimischen Meer so viele Jahrhunderte verteidigt hatte.

Äthiopien, das währen einer langen Geschichte seine politische Unabhängigkeit bewahrte, ertrug in seiner Kirche eine Abhängigkeit von einen  anderen christlichen Nation.

Als die heutige Revolution im Jahre 1974 Kaiser Heile Selasie I. und den Patriarchen Abune Tewoflos abgesetzt hatte, sagten einige  Kopten, daß dieses der „Zorn Gottes“ sein; weil das Land Äthiopien keinen koptischen Abun mehr habe. Trotzdem  hat der äthiopische König Harbe‘ in der Geschichte der äthiopisch- orthodoxen Kirche eine große Rolle gespielt. Er wird heute als großte Patriot und Nationalheiliger verehrt.

Zwischen der Regierung und den Klerus, den Mönchen und den Laien gab es jedoch in jener Zeit kaum eine Verständigung. Ein indischer  Kirschen Historiker und Autor  Paul Vereghse, beobachtet „Es gab eine Zeit, zu der es nur einen Abuna oder Erzbischof in ganz Äthiopien gab, der immer aus Ägypten gesandt werden mußte und stets Ägypter zu sein hatte, da es jemanden gelungen war, in die äthiopische Fassung der Kanones von Nicäa (325. Jh.) die skandalöse Bestimmung einzuflechten, nach der ein Äthiopier niemals zum Bischof geweiht werden kann.“ (Koptisches Christentum  ...1973, S.134)

Wir müssen in großem Maßsatab diese Fassung sehen. Wir besitzen auch eine Erklärung Professor Friedrich Heyer: „ Die kirchenrechtlichen Basis, der zufolge der koptischen Patriarchen Ägypter als äthiopischen Metropoliten zu entsenden hatte. ist im Nomokanon des Ibn al-Assal, dem mit der größten Autorität ausgestatteten  kirchenrechtlichen Werk der koptischen Kirche aus dem 13. Jh., gelegt. In Äthiopien wurde dies Werk unter dem Namen Fetha Nägäst Ausgangs des Mittelalters in Ge`ez Übersetzung eingeführt. Hier hieß es: „Was die Äthiopier anlangt, so weiht man ihnen  nicht einen Patriarchen, der unter ihren Doktoren ausgesucht wäre, noch gewählt durch sie seber, weil ihre Metroplie sich in Abhängigkeit vom Inhaber des Stuhls von Alexandria befindet. Diesem steht es zu, für sie einem Katholikos zu weihen, der dem Patriarchen unterstellt und sein Delegierter ist. Angesichts der Tatsache, daß der eben beschriebene Metropolit für sie in seiner Eigenschaft als Katholikos geweiht ist, hat er nicht die Vollmacht, andere Bischöfe zu weihen, wie es die Patriarchen tun. Er ist nur geehrt mit dem Titel eines Patriarchen, ohne dessen Autorität zu besitzen.“ (Die Kirche Äthiopiens, 1971, S.8)

Die hauptsächliche Version auf Ge’ez lautet so: „Wä-säba Ityopya i-yesimu lalähomu Liqä Pappast im maemranihomu  daemu bahtitu yikber bä-sem Peppsnna zä-enbele yekun lotu seltanä zentu.“ WSBA Atyxy Ay=m loLHm LI xxst amamrNHm dom bhTt ykbr BsM LI xxsn ZanbL ykn Lt 0l4N znt. (ftE NG0t AnIc £û

Die konservativen Christen Äthiopiens haben die Fassung der sogenannten Kanones von Nicäa wie die 10 Gebote Gottes übernommen. Aber eine neue Redaktion des in Asmera erscheinenden Fetha Negest hatte die Fassung weggelassen. Die heutigen Leser, Sprachwissenschaftler, Historiker  und Richter können  diese Dokumentation nicht finden. Tatsächlich aber war die Fassung des kopten as Safi Abu I-Fada’il ibn- Assal für die Missionierung und Evangelisierung, das Land und die Kirchenreformen eine große Mauer und ein langjähriger Zaun gewesen.

Ander Spitze der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche hatte vom 4. Jh. an bis 1959 der alexandrinische Patriarch gestanden. Die Äthiopisch-Orthodoxen Kirche wurde nach Verhandlungen, die über viele Generationen mit den alexandrinischen Patriarchen geführt wurden, im Jahre 1959 unabhängig. Zum ersten Mal in der Geschichte Äthiopiens die Bevormundung durch die alexandrinischen Patriarchen nach 16 Jahrhunderten zu Ende gegangen. Seit 1959 wird des Oberhaupt der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche von den äthiopischen Bischöfen gewählt und trägt nun selbst den Titel Patriarch, die Kirche ist somit Autokephal.

Die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche ist eine größten und ältesten der Ostkirchen. Unter den Ostkirchen wird sie bezuglich von der Menge der Gläubigen lediglich von der  Russisch-Orthodoxen Kirche übertroffen. Sie ist jedoch größer als die Orthodoxen Kirchen Rumäniens, Griechenlandes, Bulgariens und Serbiens. Es ist ziemlich schwierig Zahlen zu geben. Nach zurückhaltenden Schätzungen gibt es ungefähr 40  Millionen Christen in Äthiopien und offizielle Zahl liegt bei 45 Millionen. Diese Kirche ist jedenfalls doppelt so groß wie die Koptisch-Orthodoxe Kirche Ägyptens.

Die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche gilt von 328.-1974 als Stattskirche auf dem afrikanischen Kontinent. Die politische Entwicklung seit 1974 hat in den Gemeinden Äthiopien innerhalb und auch außerhalb zu Spannungen und zu Spaltungen geführt. Die Revolution von 1974 hat  jedoch freie Entwicklung der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche nicht unterbunden. Die militärische Regierung Derg führte die Trennung von Staat und Kirche durch. Die enge Verklammerung von Kirche und Staat würde gelockert.

Merawi Tebege

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